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Die Nikon D3200 fällt durch ein gutes Verhältnis zwischen Spezifikation und Preis auf. Insbesondere der 24MP-Sensor unterscheidet sich von der EOS1100D um immerhin einen Faktor 2 an Auflösung. Außerdem ist die D3200 neuer und damit voraussichtlich auch noch länger am Markt.
Ein erster Test hat ein gemischtes, aber insgesamt doch vielversprechendes Ergebnis hinterlassen.
Es gibt zwei bekannte Tools, um Nikon-Kameras fernzusteuern: Nikon Camera Control Pro 2 und ControlMyNikon. Beiden ist gemeinsam, dass die D3200 nicht unterstützt wird.
Die einzig offizielle Fernsteuerung der D3200 geht über den WLAN-Adapter Nikon WU-1a, der aber gemäß dem, was im Netz zu finden ist, nur Basisfunktion (Bild aufnehmen, herunterladen, ruckliges LiveView) ermöglicht, nicht aber Einstellungen in der Kamera vornehmen lässt. Derzeit kann er wohl nur durch eine Android-App angesprochen werden.
Beides lässt nicht unbedingt perfekte Voraussetzungen zur Fernsteuerung der Kamera erwarten.
Offiziell wird die D3200 in der aktuellen gphoto2-Version 2.5.0 nicht unterstützt. Erwartungsgemäß wird die Kamera aber als USB PTP Class Camera von gphoto2 erkannt und kann somit grundsätzlich bedient werden. Der Treiber ist ptp2.so und ist damit im Firmware-Image für den TL-MR3020 enthalten. Die zugehörigen OpenWRT-Skripte müssen allerdings angepasst werden.
Bilder aufnehmen und herunterladen funktioniert. Allerdings muss (im Gegensatz zu den Canon-Kameras) eine SD-Speicherkarte in der Kamera stecken. Die Konfiguration capturetarget=Internal RAM ist zwar vorhanden, wird aber ignoriert.
Der Befehl
gphoto2 --capture-image-and-download
hat die erwartete Funktion. Das heruntergeladene Bild heisst DSC_XXXX.JPG (GROSSgeschrieben), das muss im Shellskript webcam_capture berücksichtigt werden.
Der Befehl funktioniert allerdings nur für kurze Belichtungszeiten korrekt. In dunklen Szenarien läuft gphoto2 in einen Timeout und der Befehl beendet mit Fehler.
Als Workaround hilft mittels
gphoto2 --trigger-capture
ein Bild aufzunehmen und dann den Download des Bildes in einer Schleife anzustoßen, bis das Bild heruntergeladen werden kann. Mit diesem Trick lassen sich auch in sehr dunklen Szenarien Aufnahmen mit bis zu 30 Sekunden Belichtungszeit machen.
Die Konfig-Optionen
gphoto2 --set-config iso=x gphoto2 --set-config exposurecompensation=x
funktionieren wie vorgesehen.
Die möglichen Werte müssen im Shellskript webcam_isoexp passend vorbereitet
werden, dann ist eine Regelung in der gleichen Art wie mit der EOS1100D möglich.
Aufschluss darüber gibt
gphoto2 --get-config iso gphoto2 --get-config exposurecompensation
Wichtig sind diese Optionen für die Steuerung der Nachtaufnahmen.
Das Umschalten des Autofokus ist per Fernsteuerung nicht möglich. Da es auch keine PC-Software mit dieser Funktion gibt, ist das nachträgliche Auffinden einer versteckten Funktion wie bei Canon eher unwahrscheinlich. Es gibt zwar einen ptp-Konfigparameter focusmode, der aber leider als read-only exportiert wird. Das ist insofern unverständlich, als der Modus an der Kamera per Software umschaltbar ist. Aber eben nur an der Kamera, nicht über den USB :-(
Das Problem dabei ist folgendes:
Soll die Kamera zuverlässig aufnehmen, hilft nur an der Kamera auf MF zu stellen und ggf. mechanisch festzukleben. Damit gibt es von der Ferne keine Möglichkeit mehr zu korrigieren. In der Praxis ist das ein Nachteil, es hat sich gezeigt dass es immer wieder (z.B. nach kräftigem Rütteln durch Sturm) erforderlich ist, den Fokus von der Ferne zu optimieren.
Da die Autofokus-Umschaltung per Software offenbar nicht funktioniert, ist der nächste Schritt eine mögliche Umschaltung per Hardware. Das war in den ersten Zeiten schon bei Canon eine Lösung (wenn auch keine gute), und muss nun hier wieder herhalten.
Die Ausführung des Objektivs AF-S Nikkor 18-55mm macht den Umbau allerdings sehr einfach. Am Schalter A-M (am Objektiv) befindet sich direkt eine Schraube, die den Schalterdeckel öffnet. Dort muss genau ein Draht an der richtigen Stelle angelötet werden. Dieser Kontakt wird gegen Masse (entspricht USB-Masse) geschaltet, also z.B. über einen OpenCollector Transistorausgang oder über eine Diode auf einen gpio der usb4all. Es dürfen keine Annahmen über das Potenzial an diesem Anschluss getroffen werden, weil im Stromsparmodus die Objektiv-Elektronik abgeschaltet wird. Im eingeschalteten Zustand liegen ca. 3V an.
Elektrisch funktioniert die Umschaltung so (der Schalter bleibt in Stellung A):
Ein Stromanschluss existiert nicht. Für 30€ lässt sich ein Dummy-Akku kaufen (EP-5A).
Das ist ähnlich wie bei Canon, nur dass der Adapter dort etwas weniger teuer ist.
Im Gegensatz zum Canon-Adapter kann der EP-5A jedoch direkt verwendet werden und macht
insgesamt einen brauchbaren Eindruck. Dessen Kabel kann direkt in einen Pfostenstecker
montiert werden, so dass sich bei Verwendung einer USB4all eine saubere
Lösung ergibt.
Das Schlachten des Akkus - wie bei der EOS1100D in vielen Fällen gehandhabt - ist deshalb
in dem Fall eher nicht die beste Lösung.
Der Akku der D3200 hat wie bei Canon-EOS 7.4V Nennspannung, die ansonsten in diesem Wiki beschriebenen Anteile sind also auch hier gültig.
In den Versuchen hat sich allerdings gezeigt, dass die Kamera einen höheren Spitzenstrom zieht als die EOS1100D. Der bisher empfohlene PoE-Splitter TPE-112 schafft das nicht, dessen Nachfolgemodell TPE-114 ist leistungsfähiger und tut mit der Kamera tadellos.
Insgesamt ist die D3200 mechanisch der EOS1100D recht ähnlich. Sie baut allerdings samt Objektiv etwa 15mm tiefer als die EOS1100D. Im Weitwinkel ist mit einer Gesamttiefe von etwa 160mm zu rechnen, das Rittal-Kunststoffgehäuse ist dafür zu klein.
Außerdem ist ein proprietäres USB-Kabel erforderlich, das mitgeliefert wird. Es ist unverständlich, warum Nikon hier nicht ein normales Mini- oder Micro-USB Kabel verwendet.
Bisher ist die D3200 noch nirgends im echten Einsatz. Probebilder unter Laborbedingungen hinterlassen jedoch einen durchaus gemischten Eindruck.
In folgender Anordnung mussten eine D3200 und eine EOS1100D in meinem Bastelzimmer gegeneinander antreten:
Bei eingeschalteter Raumbeleuchtung kamen folgende beiden Bilder heraus (links D3200, rechts EOS1100D):
Ohne Licht (nur eine kleine LED als Beleuchtung, gefühlt „stockfinster“, iso3200):
Die Bilder können jeweils groß geklickt werden. Zu beachten sind insbesondere die Beschriftung von Farbkübel und Karton.
Bei genug Licht liefert die D3200 erwartungsgemäß mehr Details. Es sind kleinere Schriften lesbar als bei der EOS1100D. Im Dunklen macht sich aber eher die Sensorgröße bemerkbar. Da diese bei beiden Kameras gleich ist, rauscht die D3200 mit ihren 24MP erkennbar stärker. Der Vorteil der höheren Auflösung ist damit aufgezehrt, es sind kaum mehr Details erkennbar als bei der EOS1100D.
Ob das in der Natur ähnlich ist bleibt abzuwarten. Ein gravierender Unterschied ist jedoch mit der D3200 nicht zu erwarten. Da die Kamera ansonsten eher unpraktischer ist (größer, mehr Strom, Autofokus schlecht schaltbar, Speicherkarte notwendig, Bilder brauchen mehr Speicherplatz etc.), spricht aus momentaner Sicht nicht wirklich etwas für deren Einsatz im großen Stil. Dennoch bleibt sie als Alternative durchaus interessant.
Seit dem 05.05.2013 ist die Kamera am Standort Brauneck-Garland in Betrieb. In der Praxis wird der Eindruck aus dem Labor erst mal bestätigt: Das Bild hat viele Details, ist aber vom Gesamteindruck nicht wirklich besser als das von der EOS1100D. Die Bilder sind wesentlich größer, brauchen also mehr Speicherplatz. Noch bleibt abzuwarten, wie sich die Kamera über längere Zeit und mit wechselnden Klimabedingungen bewährt.
Bisher kann eine explizite Empfehlung weder dafür noch dagegen ausgesprochen werden. Die Vor- und Nachteile beider Modelle halten sich etwa die Waage, sodass im Zweifelsfall die EOS1100D unangefochten bleibt, da sie billiger und unkomplizierter ist.